Wo steht Europa vor der EU-Wahl?

350 Millionen wahlberechtigte Europäerinnen und Europäer aus 27 Ländern wählen in rund einem Monat das EU-Parlament. Angesichts eines erwarteten Rechtsrucks und gigantischer Herausforderungen unter anderem in der Sicherheits- und Klimapolitik blickt die Presse skeptisch auf die kommende Legislaturperiode.

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Avvenire (IT) /

Noch nie so unschlüssig

Die EU ist vor allem ein großer Widerspruch, klagt Avvenire:

„Man kann Europa lieben, aber Angst vor Brüssel haben. Man kann von einem Kontinent der Soft Power träumen, aber nationalistische und regionalistische Impulse tolerieren; sich vereint fühlen, aber dennoch zu unterschiedlich; supranationale Regeln anstreben, aber zögern, das gemeinsame Gebäude zu vollenden; den Binnenmarkt schätzen, aber dem Euro misstrauen; vom Abbau der Binnengrenzen profitieren, aber ihre Abschaffung fürchten; sich ein Ende der Kriege wünschen, aber international keine gemeinsame Richtung einschlagen. … Die Europäer waren vielleicht noch nie so unschlüssig wie heute.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Große Erfolge, große Herausforderungen

Sergi Barrera vom EU-Büro in Barcelona blickt in El Periódico de Catalunya zurück und voraus:

„In der schwierigen Legislaturperiode, die hinter uns liegt, konnte das EU-Parlament 450 Gesetze verabschieden, darunter das weltweit erste über künstliche Intelligenz, den neuen Migrations- und Asylpakt, die grüne Agenda oder die Kopplung europäischer Mittel an die Rechtsstaatlichkeit. ... Die Herausforderungen der Zukunft sind enorm: die Verteidigung der Demokratie, Fortschritte in der Verteidigungspolitik, die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, das Tempo beim Kampf gegen den Klimawandel, die Erweiterungspolitik. ... In einem Monat müssen wir entscheiden, welche Art von Europa wir in dieser instabilen, komplexen Welt wollen.“

Expressen (SE) /

Meinungen dürfen nicht zu Fake News gemacht werden

In der EU unterstützt die Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien (EDMO) die Bekämpfung von Desinformation. Expressen warnt:

„Das Risiko besteht darin, dass der Kampf gegen Verschwörungstheorien selbst zu einer Verschwörungstheorie wird, in der Nordländer, die gegen Windkraftanlagen protestieren, mit Putin-Trollen in einen Topf geworfen werden und alle Schwachköpfe, die in jeder Debatte irgendeinen Ton anschlagen, als echte Sicherheitsbedrohung statt als störendes Element dargestellt werden. ... Aber eine offene Gesellschaft muss tolerant sein. Selbstverständlich müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Demokratie vor russischen Operationen, Spionage und Unterwanderung schützen. Aber freie Meinungsbildung ist eine Grundlage der Demokratie und keine Bedrohung für sie.“

Glavkom (UA) /

Vom Ende der Angst

Die europäische Sicherheitspolitik hat sich in den vergangenen Jahren tiefgreifend verändert, analysiert Glavkom:

„Die Angst vor der nuklearen Erpressung ist nicht mehr da. Die Phase des grundsätzlichen Widerwillens, die Beziehungen zum Kreml zu belasten, ist vorbei. Vorbei ist das Streben danach, eine Eskalation um jeden Preis vermeiden zu wollen und Russland in keiner Weise zu provozieren. ... Das Fundament ist gelegt für eine ganze Reihe von Entscheidungen, die zuvor als unzulässig galten. … Es geht um die Beschlagnahmung von Erträgen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten, um Langstreckenwaffen, um die Unterstützung von Angriffen auf die kritische Infrastruktur der russischen Waffenindustrie, um Militärkontingente und einen 'Atomzaun' entlang der Grenzen zu Russland.“